ctrl
01.12.2018, 20:39
Hallo,
vor einiger Zeit hatte Wolfgang den Thread "Bewertung der Messergebnisse Phase und Gruppenlaufzeit" (https://www.diy-hifi-forum.eu/forum/showthread.php?17962-Bewertung-der-Messergebnisse-Phase-und-Gruppenlaufzeit) eröffnet um über die gemessenen Phaseninformationen und deren Bewertung zu diskutieren. Im Thread ging es dann über weite Strecken darum wie die Phase "richtig" gemessen wird - insbesondere bei Verwendung von Clio oder Arta.
Darauf möchte ich hier nicht mehr eingehen. Sondern basierend auf realen Messungen die Bedeutung der Phasen-Informationen für die Entwicklung und Auswertung mir euch diskutieren.
Hoffe auf euren Einspruch wenn ich intellektuellen Dünn...pfiff als Fakten anrichten sollte.
Vorab sollten die Begriffe Phase, Minimalphase und Excessphase (würde hier gerne das Englische Wort beibehalten, da damit wohl "Überschuss" gemeint ist und dies nichts mit dem Exzess im Deutschen zu tun hat) definiert werden.
Phase wäre dann in diesem Fall die "laufzeitbereinigte" (die Flugzeit vom ersten Impuls zum Mikrofon wird "herausgeschnitten") Gesamtphase oder Normalphase des gesamten Systems.
In der Arta-Docu wäre dann weiter definiert:
Quelle: http://www.artalabs.hr/support.htm
A simple definition of minimum phase is: A system phase characteristics for which the equivalent system with the same magnitude characteristics and a minimum phase changes can be realized (over all frequencies). The difference between the phase and the minimum phase characteristics is usually called excess phase.
Mathematically, the minimum phase can be estimated from the magnitude of the frequency response using the Hilbert transform.
Minimalphase der Anteil der Phase, der sich via Hilbert-Transformation aus dem Frequenzgang ergibt.
Die Excessphase stellt die Differenz von Phase und Minimalphase dar. In der Excessphase können sich z.B. die Allpässe eines Lautsprechers, "Fehler" der Laufzeitbereinigung oder/und Filter des Audio-Interface (z.B. ein Lowpass-Filter bei 30kHz) "verstecken" - später mehr dazu.
Noch kurz zu den Schwierigkeiten die Minimalphase "korrekt" zu bestimmen. Dazu hat sich Ivo Mateljan (Autor von Arta) im Arta-Thread auf diyaudio.com geäußert:
Quelle: https://www.diyaudio.com/forums/multi-way/76977-arta-64.html
Minimum phase is characteristic of linear systems that can be calculated from the magnitude of frequency response but only for systems in which there are no wave reflection (such systems can be described by finite number of poles and zeros in plane of complex frequency). This mathematical definition practically means that responses of loudspeakers and microphones does not follow minimum phase in frequency range where dimension of object are larger than quarter of wavelength.
...
I have published paper before 30 years where I analyzed various method for minimum phase estimation. The numerical method that can be used for correct minimum phase calculation from magnitude response requires knowledge of response in frequency range from zero to infinity frequency. As we measure in restricted range we must assume response below and above that range, and that assumption is always a problem.
Nun aber zu ein paar konkreten Beispielen.
In den Beispielen werden die verschiedenen "Phasen-Begriffe" anhand eines Lautsprechers betrachtet. Die Mikrofonposition war bei allen Messungen gleich und wurden auf halber Höhe zwischen HT und MT durchgeführt.
Betrachtet werden
der HT unbeschaltet (FG-Messung gelbe Kurve)
der HT beschaltet mit LR 4.Ordnung bei 1.8kHz (FG-Messung hellgelbe Kurve)
der gesamte 3-Wege-Lautsprecher (FG-Messung rote Kurve)
Die zugehörigen FG-Messungen sehen wie folgt aus:
46587
Das Hochpass-Filter für den HT trifft das Target-Filter (rote Kurve) fast perfekt.
Betrachten wir nun die zugehörigen Phasen-FG.
Soweit nicht anderes aufgeführt gilt für die dargestellten Phasen-Messungen immer:
- Phase, gelbe Kurve
- Minimalphase, orange Kurve
- Excessphase, lila Kurve
1. Hochtöner unbeschaltet:
46588
Eigentlich würde man erwarten, dass sich ein einzelnes Chassis über weite Strecken minimal-phasig verhält und somit die Minimalphase auf der Phase zu liegen kommt (oder zumindest über weite Strecken parallel verläuft) und die Excessphase Null/Konstant ist.
Die Ursache für die Abweichung kann in der oben beschriebenen "Unschärfe" in der Berechnung der Minimalphase liegen und im Super-Hochton schon durch den Lowpass-Filter des Audio-Interface beeinflusst sein - wer dazu mehr weiß, her mit der info ;)
2. Hochtöner beschaltet:
46589
Die Phase trifft das Phasenverhalten des Target-Filter (24dBLR@1800Hz, rote Kurve) fast perfekt. Die aus dem FG bestimmte Minimalphase zeigt schon deutliche Abweichungen.
Die Minimalphase scheint parallel verschoben zu sein - warum das so ist, ist mir nicht ganz klar.
3. Gesamt-Lautsprecher:
46590
Hier bringt die orange Kurve der Minimalphase nun überhaupt keine zusätzlichen Informationen mehr (da aus dem FG bestimmt) und die dem Lautsprecher zugrunde liegende Filterung nun komplett in der Excessphase "versteckt" ist.
Erst die Betrachtung der Phase zeigt, dass die Filterung 4.Ordnung mit einer Phasendrehung von 360° um die Trennfrequenz von 1800Hz nahezu perfekt gelungen ist.
Die relativ starke Abweichung des Phasen-FG vom idealen Phasenverhalten (rote Kurve) unterhalb von 1.6kHz hängt mit der nicht ganz optimal verlaufenden Filterflanke des HT und der gegenseitigen Beeinflussung der Trennungen des 3-Wege LS zusammen.
Einsatz der Minmalphase in der LS-Entwicklung?
Bei meinen Messungen war die Minimalphase immer ungenauer als die Phase.
Weiter enthält die Phase in der Excessphase die SEO-Differenz der Chassis. Diese ist in der Minimalphase natürlich nicht enthalten und muss gesondert bestimmt werden und im Simulationsprogramm berücksichtigt werden.
Siehe dazu z.B. "Die akustische Phase, das unbekannte Wesen" auf hifi-Selbstbau.de (https://www.hifi-selbstbau.de/grundlagen-mainmenu-35/frequenzweichen-mainmenu-68/93-die-akustische-phase-das-unbekannte-wesen-fortgeschrittene)
Beim Einsatz von DSP kann praktisch ganz auf die Bestimmung der Phase verzichtet werden, solange die Filterflanken den Zielfunktionen möglichst genau entsprechen. Da eine Korrektur der SEO-Differenz durch das Setzen eines Delay vorgenommen werden und in den meisten Fällen dieses iterativ bestimmt werden kann.
Gruß Armin
vor einiger Zeit hatte Wolfgang den Thread "Bewertung der Messergebnisse Phase und Gruppenlaufzeit" (https://www.diy-hifi-forum.eu/forum/showthread.php?17962-Bewertung-der-Messergebnisse-Phase-und-Gruppenlaufzeit) eröffnet um über die gemessenen Phaseninformationen und deren Bewertung zu diskutieren. Im Thread ging es dann über weite Strecken darum wie die Phase "richtig" gemessen wird - insbesondere bei Verwendung von Clio oder Arta.
Darauf möchte ich hier nicht mehr eingehen. Sondern basierend auf realen Messungen die Bedeutung der Phasen-Informationen für die Entwicklung und Auswertung mir euch diskutieren.
Hoffe auf euren Einspruch wenn ich intellektuellen Dünn...pfiff als Fakten anrichten sollte.
Vorab sollten die Begriffe Phase, Minimalphase und Excessphase (würde hier gerne das Englische Wort beibehalten, da damit wohl "Überschuss" gemeint ist und dies nichts mit dem Exzess im Deutschen zu tun hat) definiert werden.
Phase wäre dann in diesem Fall die "laufzeitbereinigte" (die Flugzeit vom ersten Impuls zum Mikrofon wird "herausgeschnitten") Gesamtphase oder Normalphase des gesamten Systems.
In der Arta-Docu wäre dann weiter definiert:
Quelle: http://www.artalabs.hr/support.htm
A simple definition of minimum phase is: A system phase characteristics for which the equivalent system with the same magnitude characteristics and a minimum phase changes can be realized (over all frequencies). The difference between the phase and the minimum phase characteristics is usually called excess phase.
Mathematically, the minimum phase can be estimated from the magnitude of the frequency response using the Hilbert transform.
Minimalphase der Anteil der Phase, der sich via Hilbert-Transformation aus dem Frequenzgang ergibt.
Die Excessphase stellt die Differenz von Phase und Minimalphase dar. In der Excessphase können sich z.B. die Allpässe eines Lautsprechers, "Fehler" der Laufzeitbereinigung oder/und Filter des Audio-Interface (z.B. ein Lowpass-Filter bei 30kHz) "verstecken" - später mehr dazu.
Noch kurz zu den Schwierigkeiten die Minimalphase "korrekt" zu bestimmen. Dazu hat sich Ivo Mateljan (Autor von Arta) im Arta-Thread auf diyaudio.com geäußert:
Quelle: https://www.diyaudio.com/forums/multi-way/76977-arta-64.html
Minimum phase is characteristic of linear systems that can be calculated from the magnitude of frequency response but only for systems in which there are no wave reflection (such systems can be described by finite number of poles and zeros in plane of complex frequency). This mathematical definition practically means that responses of loudspeakers and microphones does not follow minimum phase in frequency range where dimension of object are larger than quarter of wavelength.
...
I have published paper before 30 years where I analyzed various method for minimum phase estimation. The numerical method that can be used for correct minimum phase calculation from magnitude response requires knowledge of response in frequency range from zero to infinity frequency. As we measure in restricted range we must assume response below and above that range, and that assumption is always a problem.
Nun aber zu ein paar konkreten Beispielen.
In den Beispielen werden die verschiedenen "Phasen-Begriffe" anhand eines Lautsprechers betrachtet. Die Mikrofonposition war bei allen Messungen gleich und wurden auf halber Höhe zwischen HT und MT durchgeführt.
Betrachtet werden
der HT unbeschaltet (FG-Messung gelbe Kurve)
der HT beschaltet mit LR 4.Ordnung bei 1.8kHz (FG-Messung hellgelbe Kurve)
der gesamte 3-Wege-Lautsprecher (FG-Messung rote Kurve)
Die zugehörigen FG-Messungen sehen wie folgt aus:
46587
Das Hochpass-Filter für den HT trifft das Target-Filter (rote Kurve) fast perfekt.
Betrachten wir nun die zugehörigen Phasen-FG.
Soweit nicht anderes aufgeführt gilt für die dargestellten Phasen-Messungen immer:
- Phase, gelbe Kurve
- Minimalphase, orange Kurve
- Excessphase, lila Kurve
1. Hochtöner unbeschaltet:
46588
Eigentlich würde man erwarten, dass sich ein einzelnes Chassis über weite Strecken minimal-phasig verhält und somit die Minimalphase auf der Phase zu liegen kommt (oder zumindest über weite Strecken parallel verläuft) und die Excessphase Null/Konstant ist.
Die Ursache für die Abweichung kann in der oben beschriebenen "Unschärfe" in der Berechnung der Minimalphase liegen und im Super-Hochton schon durch den Lowpass-Filter des Audio-Interface beeinflusst sein - wer dazu mehr weiß, her mit der info ;)
2. Hochtöner beschaltet:
46589
Die Phase trifft das Phasenverhalten des Target-Filter (24dBLR@1800Hz, rote Kurve) fast perfekt. Die aus dem FG bestimmte Minimalphase zeigt schon deutliche Abweichungen.
Die Minimalphase scheint parallel verschoben zu sein - warum das so ist, ist mir nicht ganz klar.
3. Gesamt-Lautsprecher:
46590
Hier bringt die orange Kurve der Minimalphase nun überhaupt keine zusätzlichen Informationen mehr (da aus dem FG bestimmt) und die dem Lautsprecher zugrunde liegende Filterung nun komplett in der Excessphase "versteckt" ist.
Erst die Betrachtung der Phase zeigt, dass die Filterung 4.Ordnung mit einer Phasendrehung von 360° um die Trennfrequenz von 1800Hz nahezu perfekt gelungen ist.
Die relativ starke Abweichung des Phasen-FG vom idealen Phasenverhalten (rote Kurve) unterhalb von 1.6kHz hängt mit der nicht ganz optimal verlaufenden Filterflanke des HT und der gegenseitigen Beeinflussung der Trennungen des 3-Wege LS zusammen.
Einsatz der Minmalphase in der LS-Entwicklung?
Bei meinen Messungen war die Minimalphase immer ungenauer als die Phase.
Weiter enthält die Phase in der Excessphase die SEO-Differenz der Chassis. Diese ist in der Minimalphase natürlich nicht enthalten und muss gesondert bestimmt werden und im Simulationsprogramm berücksichtigt werden.
Siehe dazu z.B. "Die akustische Phase, das unbekannte Wesen" auf hifi-Selbstbau.de (https://www.hifi-selbstbau.de/grundlagen-mainmenu-35/frequenzweichen-mainmenu-68/93-die-akustische-phase-das-unbekannte-wesen-fortgeschrittene)
Beim Einsatz von DSP kann praktisch ganz auf die Bestimmung der Phase verzichtet werden, solange die Filterflanken den Zielfunktionen möglichst genau entsprechen. Da eine Korrektur der SEO-Differenz durch das Setzen eines Delay vorgenommen werden und in den meisten Fällen dieses iterativ bestimmt werden kann.
Gruß Armin