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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : DBA und Room Gain unterhalb der untersten Mode / doppeltes DBA



capslock
05.02.2020, 17:23
Laut Wikipedia-Eintrag und diesem Thread
https://www.beisammen.de/index.php?thread/115509-druckkammereffekt-was-passiert-wenn-man-ein-fenster-%C3%B6ffnet/

hat auch ein DBA noch Room Gain (um den irreführenden Namen Druckkammereffekt zu vermeiden) unterhalb der untersten Mode, was normalerweise die erste Längsmode ist. Der verlinkte Thread ist leider schwer nachzuvollziehen, da beisammen.de unverständlicherweise auch registrierten Mitgliedern das Ansehen von Bildern verweigert, wenn sie nicht schon ziemlich viele Posts haben.

Auf jeden Fall hat Nils gemessen, dass sein Keller-DBA durchaus kräftigen Room Gain hat. Es entspann sich dieser Dialog:

Die Messungen zeigen eindeutig, dass der Druckkammereffekt auch bei einem DBA vorhanden ist. Ich kann mir momentan allerdings nicht erklären, warum das so ist...

Gegenfrage...

Warum sollte es nicht?

Erste welle und invertierte welle unterliegen beide den raumbegrenzungen und der dk.

Ja, das hast du Recht.

Irgendwie komme ich da nicht mit. Das Front-Array mitsamt Spiegelschallquellen sendet eine ebene Welle aus. Das Rear-Array sendet ebenfalls eine ebene Welle aus, allerdings so phasenverschoben, dass die erste Welle genau geschluckt wird. Nach meinem Verständnis gilt das für alle Frequenzen, und in dem Maße wie wie Abweichungen von den ebenen Wellen und eine Dispersion der Schallgeschwindigkeit mit der Frequenz vernachlässigen können, gibt es nie die Bedingungen für eine Verstärkung, auch nicht unterhalb der Grundmode. Und wenn es Abweichungen gibt, dann ist der Verstärkungseffekt viel geringer als ohne DBA.

Etwas anderes mag für ein SBA oder einen nicht phasenverschobenes DBA gelten...


Warum interessiert mich das? Ich war aus Platzgründen am überlegen, ein DBA aus 2x 6 7-Zoll-Treibern aufzubauen, wobei das Volumen pro Treiber bei 10 bis maximal 20 l liegen sollte. Damit kommt man aber nicht besonders tief. Entweder muss ich aktiv entzerren, wobei mir eine Berechnungsgrundlage für den Hub fehlt.

Oder ich mache ein doppeltes DBA (ist das schon mal vorgeschlagen worden?). Ein kleines Array mit 6 Treibern pro Wand, das bis etwa 50 Hz runtergeht und ein Array mit 1 Treiber pro Wand, das mit Schlammschiebern verwirklicht wird.



(https://www.beisammen.de/index.php?post-add/115509/&quoteMessageID=1325460&413a4cf3)

josh_cpct
05.02.2020, 18:27
Hallo

Vielleicht hilft ja die Betrachtungsweise:
Die Rückwand invertiert und verhindert so eine Reflektion.
Man könnte daraus schließen, der Raum wird so endlos lang. Wie ein Stab / Rohr. Die hintere Wand liegt einfach 2 Kilometer weiter hinten ;-)

Was passiert dann?
Ähnlich wie bei PlaneWaveTubes für Kompressionstreiber, ergibt sich hier auch eine "Druckkammer". Es bleibt halt nur noch eine Dimension zur Ausdehnung übrig. Entlang des Rohrs.

So ein zartes Kalöttchen geht so schnell bis unter 100Hz. Hier 75mm Celestion Treiber PWT vs. Horn:
https://celestion.com/images/products/53/graph.gif


Bezüglich der Trenneng mit Klein DBA + Schlammschieber klingt sehr reizvoll :prost:

Gruß
Josh

capslock
05.02.2020, 22:40
Überzeugt mich nicht. Im Idealfall habe ich eine perfekte ebene Welle, d.h. einen Wellenvektor k nur in Längsrichtung l. Dann habe ich keine Querkomponente und somit keine Energie in Querrichtung und kann dementsprechend auch keinen Druck oder was auch immer aufbauen.

PWT kannte ich nicht
https://en.wikipedia.org/wiki/Plane_wave_tube

Klingt für mich wie eine transmission line in der Mikrowellentechnik.

Es lässt sich streiten, ob der Querschnitt eines Wohnzimmers schon hinreichend klein gegen die Wellenlänge ist.

Das mit PWT bei Kompressionstreibern kenne ich nicht, hast Du mehr Info?

josh_cpct
06.02.2020, 16:27
Hi

Die PWT hat große Ähnlichkeit zum DBA, in Miniaturversion.
Man nutzt diese um Horntreiber unabhängig vom Horn messen zu können.
Es ist nichts weiter als ein Rohr.
Der Durchmesser entspricht dem Horntreiber-Hals (1-2").
Die Länge den Möglichkeiten (2-20 Meter).
Das Mikrofon steckt nahe dem Treiber in einem seitlichen Loch des Rohrs.

Theoretisches Ideal:
Der Treiber schickt eine ebene Welle, wie eine Scheibe, entlang des Rohres. Ohne Krümmung der Welle entsteht keine Reflektion seitlich, die Begrenzungsflächen rundherum zwingen die Scheibe in Form und lassen sie nur entlang der Länge entweichen. Unterhalb der Resonanzfrequenz des Treibers bleibt der Frequenzgang "recht" linear***, ähnlich einer Druckkammer. Oberhalb der Resonanzfrequenz steigt der Pegel bis zum Massrolloff, welcher zum Hochton wieder abfällt.
Ist also ähnlich der Druckkammern.

In der Praxis:
Ist die Wellenfront nicht absolut flach sondern enthält kleine Wellen, entsprechend der Rest-Ungenauigkeit des Phaseplugs und der Partialschwingung der Membran welche die Phaseplug Kanäle unterschiedlich anspricht. So wird der Frequenzgang irgendwo im Hochtonbereich idR unlinear. (ca 10kHz).

Die ungenauigkeit des Phaseplugs ist vergleichbar mit dem Gitternetz eines DBA. Entsprechend der Lücke zwischen den Treibern (344/Distanz/2) entsteht eine "Welligkeit" auf der imaginären Oberfläche der relativ flachen Wellenfront.
Beim DBA heißt das Unlinearitäten oberhalb Fx.
Die Welle als flache Scheibe schiebt sich nun durch dem Raum entlang, und kehrt nie zurück, da rückseitig absorbiert.

Hier kann man also tatsächlich eher von einer Grenzflächenverstärkung sprechen. Bei einem 6-seitig abgegrenzten Raum in meinem Verständnis aber doch von einer Druckkammer. Vielleicht daher ja die Abweichung von 1-3dB im DBA vom Ideal 12dB/Oct.

Gruß
Josh


PS: *** irgendwo unter 100-500Hz (je nach Treiber-Potenz) sieht man dann zusätzlich einen Abfall durch diverse Limitierungen. In diesem Bereich kann dann auch ein Horn nicht mehr viel retten. Egal wie groß. Einer der wichtigsten Rückschlüsse aus der PWT Messung.

JFA
07.02.2020, 08:05
Spannende Frage, da musste ich doch tatsächlich stutzen.

Tatsächlich gibt es einen Druckkammereffekt, allerdings nicht so ausgeprägt wie bei einem einzelnen Bass oder SBA.

Der Druckkammereffekt entsteht dadurch, dass unterhalb der ersten Mode der Raum nur noch ein Volumen darstellt, keinen Wellenleiter mehr. Im Ersatzschaltbild wäre das ein Kondensator Cr. Dieser Kondensator bildet mit der Ausgangsimpedanz Za der Quelle (das/die Chassis mit einer Kombination aus mechanischer und akustischer Impedanz) einen Spannungsteiler. Bei tiefen Frequenzen lässt sich Za durch einen RLC-Serienschwingreis annähern, dessen Resonanzfrequenz Fs entspricht.

Dabei gilt jetzt:
f < Fs: der RLC-Schwingkreis ist fast ausschließlich kapazitiv, d. h. wir haben einen kapazitiven Spannungsteiler mit Cr => der Druck bleibt konstant
f = Fs: der RLC-Schwingkreis erreicht seine minimale Impedanz, das Spannungsteilerverhältnis wird maximal zugunsten von Cr => der Druckverlauf hängt von der Güte des RLC-Schwingkreises ab
f > Fs: der RLC-Schwingkreis wird induktiv, seine Impedanz steigt => der Druck fällt ab*

Meistens beschränkt sich der Druckkammereffekt auf den Bereich f < Fs, also wollen wir da der Einfachheit halt bleiben.

In einem DBA wird auf der einen Seiten des Raumes eine ebene Welle erzeugt, auf der anderen eine aktive Last erzeugt, welche die Reflexion an der gegenüberliegenden Wand verhindert**. Dazu muss diese aktive Last phasenverkehrt und leicht verzögert betrieben werden, mit der Ausgangsimpedanz Za2 = Za1. Das leicht verzögert ist jetzt der Knackpunkt.

Im Ersatzschaltbild von oben würde diese Last einfach auf die andere Seite von Cr platziert werden. Durch einfach schwarze Magie (Superpositionsprinzip) kann man die resultierende Spannung an Cr berechnen:
U_Cr_1 = U1 * Cr/(Za1+Cr)
U_Cr_2 = U2 * Cr/(Za2+Cr)
U_Cr = U_Cr_1 + U_CR_2

Wenn U_Cr_1(t) =U_Cr_1_peak * sin(wt) und U2(t) = -U_Cr_2_peak * sin(wt+phi(w)) und U_CR_1_peak = U_CR_2_peak = U_Cr_peak dann gilt für die Summenspannung:
U_Cr(t) = U_Cr_1_peak * sin(wt) - U_Cr_2_peak * sin(wt+phi(w)) = 2 * U_Cr_peak * sin[-phi(w)/2] * cos[wt+phi(w)]
w ist dabei die Kreisfrequenz, phi(w) die frequenzabhängige Phasenverschiebung durch die Zeitverzögerung.

Weil für die Teilspannungen der Druckkammereffekt gilt, so gilt er natürlich auch für die Summenspannung. Dabei existiert die Summenspannung natürlich nur wegen der Zeitverzögerung! Wäre diese nicht da, dann wäre U_Cr=0!

* Wer jetzt aufgepasst hat wird feststellen, dass das L aus dem RLC mit Cr natürlich auch einen Serienschwingkreis bildet

** Man kann es auch anders betrachten, aber das verwirrt jetzt nur.

capslock
07.02.2020, 09:14
Spannend! Ich muss das nochmal sacken lassen, bevor ich den virtuosen Übergang von Wellen auf lumped elements so akzeptiere. Witzigerweise hatte ich ähnlich gedacht, nämlich ob man die Verzögerung unterhalb der untersten Mode nicht runterfahren kann, wenn man den Effekt verringern möchte. Normalerweise möchte man ihn aber gerade haben, weil sonst die Gehäuse zu groß werden. Dann müsste man im Umkehrschluß die Verzögerung vergrößern.

Was mich daran stört: die Schallgeschwindigkeit ändert sich kaum mit der Frequenz, d.h. an dem Bild Quelle und Senke ändert sich nichts, wenn man sich unterhalb der Mode befindet.