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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Pandoras Box



sonicfury
08.11.2010, 12:48
1.) Allegro

Erschienen früher Lautsprecher und deren Konstruktion wie ein Buch mit sieben Siegeln, so lichtet sich der Nebel im (nicht mehr so) neuen Jahrtausend langsam aber sicher. Was früher in mühsamer Arbeit über Monate und Jahre entstand (1te Version, 2te Version, MK III... xte Version der Weiche/ des LS) ist heute mitunter nur noch eine Sache von Minuten. Um einen Beitrag zu zitieren:

"Wer mit diesen Gerätschaften [...] das nicht zustandebringt ist ein D***".

Ich bin geneigt, mich dem anzuschließen und zuzustimmen. Das heißt nicht, das es keine Probleme gibt. Nein, es geht nicht alles leicht von der Hand. Jedes Werkzeug, ganz gleich ob mechanisch oder elektronisch, hat seine Tücken. Dies trifft auch auf den
-Audiovolver
-Deqx
-BruteFir
-Acourate
-whatevercomesalong
zu.
Verglichen mit der grauen Vorzeit ist der Fortschritt dennoch beachtlich. Im Grunde kann heute jeder auch nur einigermaßen technisch Interessierte ein solches Equipment nach
einiger Zeit bedienen. Die Computerfreaks werden wahrscheinlich jammern und zetern, das hier und dort Fußangeln versteckt sind und es doch garnicht sooo einfach sei...
Aber war es nicht schon immer so, daß die *junge* Generation (meist in totaler Unkenntnis wie es früher einmal war) versucht den *Alten* zu erklären, warum heute- trotz aller Neuerungen- alles schwieriger und garnicht soo einfach sei!????

2.) Adagio

Seit der industriellen Revolution und selbst schon davor gab es den Prozeß und das -zumeist- an dessen Ende stehende Ergebnis. Schon immer waren Prozeßqualität und Ergebnisqualität nicht direkt vergleichbar. Schon immer gab es Personen, die sich mehr für den Weg ("Der Weg ist das Ziel" Konfuzius) und Personen, die sich ausschließlich für das Ergebnis ("Es ist dein Projekt" Hornbach) interessierten.

Die derzeitige Situation verbessert sich jährlich, zumindest im Sinne der Ergebnisqualität. Dank des technischen Fortschrittes sind auch "Hobbyisten" in der Lage, Ergebnisse zu erzielen, die man früher (höchstwahrscheinlich) als utopisch angesehen hätte. Meßtechnik ist kein "Alleinstellungsmerkmal" der Profis, sondern findet sich beinahe in jedem interessierten DIY- Haushalt. Zu wissen (bzw. zu messen), was man tut, ist in der Regel hilfreich. Hieß es früher Bücherwälzen, so sind heute die Informationen leichter zugänglich und anwendbar ("DIY for Dummies- ein Youtube- Lehrfilmchen").

Das ist alles Gut und Schön aber auf rein intellektueller Eben auch gewißermassen schade. Wohin kommen wir denn, wenn wir bald soweit sind, das Kollege Computer die Lautsprecher alleine konstruiert (Autotune hier, ein utosetup dort... )? Wie attraktiv ist eine Zukunft, in der es keine Unterschiede zwischen den Chassis mehr gibt, weil der Rechenknecht alles in das vermeintliche Ideal umbiegt und alles gleich klingt? Durch die immer weitreichenderen Verbesserungen der Prozeßqualität durch die zur Verfügung stehende Hardware (Messtrechnik etc) kommt es auf kurz oder lang zu immer besseren Ergebnissen. Man wird sich asymptotisch einem Ideal annähren, ohne dieses je zu erreichen. Der Fortschritt (andeutungsweise sichtbar an den Einmeßsystemen der Heimkinoreceiver) wird vor allem eine Qualitätsverbesserung für die heimischen Wohnzimmer der Normalverbraucher bedeuten. Mit einer gewißen Verzögerung werden sich die technischen Errungenschaften hier am deutlichsten bemerkbar machen. Ebenso wahrscheinlich aber werden sie von der breiten Masse garnicht wahrgenommen, da man sich in diesen Kreisen früher genausowenig für die Klangqualität interessiert hat.

Besonders für Hobbyisten gilt:
Letztlich wird man ein quasi "optimales" Ergebnis erreichen, auf dem Weg dorthin aber der
Spass und womöglich das Hobby an sich auf der Strecke bleiben.

3.) Mezzoforte

Um eine Analogie aus der Welt der Gesellschaftsspiele zu bemühen:
Das Spiel Mühle ist kein Glücksspiel sondern ein Denkspiel ohne Zufallsfaktor. Das Spiel ist dummerweise "endlich" oder anders ausgedrückt: es gibt 1,8 · 10 hoch 10 Positionen der Spielsteine (Quelle Wikipedia). All diese Positionen wurden vom Computer ausgerechnet. Der Rechner beherrscht das Spiel nicht nur "quasi" sondern de facto perfekt. Macht es eigentlich Sinn überhaupt eine Partie Mühle anzufangen, wenn der Rechner einem sagt "das ist verloren in xxxxxxx"!?

Macht es in Zukunft noch Sinn selber Lautsprecher zu bauen?

Im Sinne der Ergebnisqualität lautet die Antwort:
NEIN

Sollte die Technik weiterhin rasch voranschreiten, so ist absehbar, das irgendein Hersteller die heimischen Wohnzimmer mit selbstadjustierenden Lautsprechern beglücken wird, die sich vollautomatisch um die Einmeßung, Anpassung etc. kümmern. Spätestend dann, wenn Smartphones in wenigen Jahren die Rechenkapazität der heutigen Dualcore- Rechner haben, wird soetwas in greifbare Nähe rücken. Sobald die Industrie mit ihrer Schlagkraft (Kapital, Entwicklungsabteilungen...) sich des Themas annimmt, so werden in relativ kurzer Zeit Lösungen entstehen, die bei deutlich geringeren Kosten dennoch 90+% dessen erreichen werden, was ein engagierter Hobbyist oder Profi mit viel höherem Aufwand erreichen wird.

Im Sinne des Spassfaktors:
JA, ABER

Wer den Weg als solches mag, den Entwicklungsvorgang selbst liebt, der wird sich seinen Spaß nicht verderben lassen. Dennoch wird das Hobby womöglich daran (er)kranken, das sich immer mehr D***** finden, die zurufen: "Warum macht ihr das, Megaspeak V1.0 kann das auch fast ganz alleine". Solche Stimmen gilt es geflissentlich zu ignorieren. Ein Briefmarkensammler läßt sich schließlich auch noch nicht von seinem Hobby abhalten, weil die ePost funktioniert und/ oder Briefmarken garnichtmehr existieren. Der Antrieb jedoch, das streben nach dem bestmöglichen Ergebnis, wird verschwinden. Dieser Motivationfaktor wird in dem Moment obsolet sein, in dem die Industrie sich einer solchen Technik bedient und sie umsetzt. Basteln des Bastelns willen- Ja. Das Ziel der qualitativen Verbesserung/ Erreichen eines Optimums wird fehlen. Diese mächtige Triebfeder (oder das fehlen dergleichen) wird sich bemerkbar machen.


4.) Finale
Womöglich wird sich bei der Speerspitze der Entwicklung, also den Personen, die die Entwicklung massiv vorantreiben und begeistert einem (noch) unerreichtem Ziel hinterherjagen, bald ein fader Beigeschnack der obigen Erkentnis einstellen....
Wie immer sollte man sich nicth aufhalten lassen trotzdem voranzugehen. Selbst wenn es bedeutet, das man eben keine Briefmarken mehr braucht. Oder keine Lautsprecher mehr.
Dann bleibt mehr Zeit für das Wesentliche.

Mahlzeit

Shefffield
08.11.2010, 15:31
Moin, Jens.

Nach unserem Gespräch gestern wundere ich mich etwas über Deinen Post hier. Ich hatte den Eindruck von Dir gewonnen, dass Du ähnlich ergebnisorientiert bist wie ich.

Egal, Lautsprecherentwickeln ist anders als Mühle, denn das Spielbrett ist uneinheitlich. Daher bin ich heilfroh um die neuen Werkzeuge und lasse mir von ihnen nicht den Spaß verderben, sondern nutze sie, um in meinen Hörraum das mit meinem Budget und Wissen mögliche und dabei meinen Hörgeschmack bestmöglich bedienende System zu installieren. Und der Schwierigkeitsgrad dabei ist mir auch mit digitalen Helfern jedweder Art noch hoch genug. Allein schon das Finden und Bilden eines Hörgeschmacks kann viele Jahre in Anspruch nehmen.

Die Zeit für's Wesentliche - das Musikhören - ist auch so knapp genug.

Oder?
Axel

nical
08.11.2010, 15:57
Macht es in Zukunft noch Sinn selber Lautsprecher zu bauen?

Im Sinne der Ergebnisqualität lautet die Antwort:
NEIN

das seh ich total anders.
du gehst davon aus, dass erstens manufakturproduzierte LS per se besser seien als selbst gebaute - wenn ich mich da umschau, um welch wahnsinnsgeld da oft simple boxen mit highendigem anspruch verklopft werden - sicher ist da auch der eine oder andere geniestreich darunter, aber im schnitt?
LS in ähnlicher qualität wie viell. eine duetta (hab ich selbst nie gehört), menhir, 4430, und viele andere, weitaus preisgünstigere kriegst nicht um relativ kleines geld.

hat es sinn, selbst noch zu entwickeln?
sicher für die, die freude dran haben.
betrifft mich selbst nicht.
aber ich mags, wenn sehr gutes leistbar ist - und ich mags auch, wenn ich in der gestaltung meiner kreativität völlig freien lauf lassen kann.
gruß alex

sonicfury
08.11.2010, 15:58
Moin Axel

Du hast recht mit deiner Einschätzung, aber... irgendwer muß (sollte?) irgendwann mal des Teufels Anwalt spielen und diese möglichen Konsequenzen anbringen...

>>Die Zeit für's Wesentliche - das Musikhören - ist auch so knapp genug.

Dafür haben wir dann mehr, wenn wir uns nicht mehr um verschiedene Konzepte kloppen müssen :) Es stellt nicht meine Meinung dar, sondern lediglich ein paar Gedanken zu dem Thema.

nical:
>>du gehst davon aus, dass erstens manufakturproduzierte LS per se besser seien als selbst gebaute - wenn ich mich da umschau, um welch wahnsinnsgeld da oft simple boxen mit highendigem anspruch verklopft werden

Ähm. Nö. Nochmal:

>>Sobald die Industrie mit ihrer Schlagkraft (Kapital, Entwicklungsabteilungen...) sich des Themas annimmt, so werden in relativ kurzer Zeit Lösungen entstehen, die bei deutlich geringeren Kosten dennoch 90+% dessen erreichen werden

90 != 100. Alles klar?

zeppi
08.11.2010, 16:33
>>Sobald die Industrie mit ihrer Schlagkraft (Kapital, Entwicklungsabteilungen...) sich des Themas annimmt, so werden in relativ kurzer Zeit Lösungen entstehen, die bei deutlich geringeren Kosten dennoch 90+% dessen erreichen werden

90 != 100. Alles klar?

Hi!

Ich sehe das ein wenig differenzierter. Es mag ja sein, dass die Großindustrie mit weitaus weniger Aufwand, weitaus mehr an Ertrag erziehlt - aber nehmen wir mal einige Beispiele aus der Autoindustrie:

Ein Wiessmann-Roadster ist eigentlich auch nur ein BMW-3er-Cabriolet. Letzeres bekommt man für den Bruchteil eines Geckos. Ein Brabus ist auch "nur" ein aufgebohrter Mercedes, kostet aber ca. das Doppelte eines "serienmässigen" AMGs. Und wie viele - zumeist jüngere menschen - kaufen sich einen serienmäßigen Golf oder Atstra, um diesen dann mit allerlei Zubehör zu tunen. Besser wird die Mittelklasse dadurch auch nicht - aber individueller!

Und genau darum baue ich - wie viele andere auch - meine Boxen selber. Ich selbst kann entscheiden, welche Chassis ich in der Box haben will. Ich selbst kann entscheiden, welche Art Box ich haben möchten. Und wenn ich mir einen Bausatz kaufe, kann ich das Gehäuse - innerhalb eines gewissen Rahmens - selbst designen. Ich habe nicht nur die Wahl zwischen Weiss, Schwarz und Buche. Wenn ich Bock habe, beauftrage ich einen Schreiner und Lackierer, mir die Dinger zu bauen.

Selbstbau nur um der Kohle willen war gestern. Heute zeugt Selbstbau von Individualismus.

Ausserdem ist es ein netter Ausgleich! Andere machen Yoga, ich bau Boxen!

Schöne Grüße

zeppi

Kripston
08.11.2010, 18:36
Hallo Sonicfurby,
musste heftig grinsen bei deinem Beitrag.

Dennoch sehe ich das Thema nicht so pessimistisch.
Mit der neuen Aktivtechnik ist ja leider (oder zum Glück) keineswegs garantiert, ein gutes Ergebnis hinzulegen.
Einen stino (=stinknormaler....) Zweiweger mit Mängeln im Abstrahl- und Energieverhalten bekomme ich auch mit der neuen Technik nicht wirklich optimal hin, da die Systeme nix am angesprochenen Verhalten ändern können.
Nicht alle Systeme arbeiten ja wie der Audiovolver (bzw. die Accurate-Software), da wird nämlich, wie ich erfahren konnte, bei der Einmessung periodenbezogen gefenstert.
Das ist nun wirklich sinnvoll, da mit steigender Frequenz keine Raumrückwirkungen mehr mit ausgebügelt werden.
Wenn z.B. nur 6 Perioden verwendet werden, kann man sich ja ausrechnen, ab welcher Frequenz nur noch der Direktschall glattgezogen wird.

Man wird aber auch mit der neuen Technik nicht umhin können, die Lautsprechertechnik halbwegs zu verstehen, denn mit einem unsinnigen bezw. mit starken Mängeln behafteten Grundkonzept bekommt man auch mit der wirklich mächtigen Technik keinen wirklich guten Lautsprecher hin.....
Und an der Raumakustik muß man dennoch schrauben.

Viele Grüße
Peter Krips

elheizo
08.11.2010, 21:08
In meinem Bekanntenkreis ist ein, ja wie soll man Ihn nennen Radio-Fernsehtechniker, naja sowas hat er mal gelernt, mittlerweile bekommt er einiges an Highend-Boxen hin gestellt um diese nochmal nachzuarbeiten.

Die Unterschiede vorher /nachher sind teils gewaltig.

In der Serie kann ich nicht auf den einzelnen Lautsprecher eingehen, sonst würden die Kosten explodieren.

Manch Highend-Boxen für tausende von Euro sind qualitativ in ihrem inneren richtiger murks.

Deswegen denke ich, du bist zu optimistisch.
Ein großteil der Boxen die hier von manch einem entwickelt werden, stellen die Industrieboxen weit in den Schatten.

Gruß Udo

P.S.: Der noch nix in den Schatten stellen kann :(

sonicfury
08.11.2010, 21:18
Tag Peter

Es ist gut das du gegrinst hast. Du weisst ja, das ich zumeist sehr ironisch und nicht unbedingt bierernst schreibe. Ich muss mich entschuldigen, sollte jemand die flott zusammengeschriebenen Gedanken gar als *Verteufelung* der Technik misverstanden haben. So war es nicht gemeint. Die o.g. "philosophischen"... nein FilisoFischen :rolleyes: Gedanken kommen mir bei der rasanten Entwicklung trotzdem. Das die Industrie sich des Themas nur annimmt, wenn dort viel Geld zu riechen ist, ist wahrscheinlich der beste *Schutz* gegen die allzu pessimistischen Aussichten, die ich schwarzgemalert habe. Da zumindest 50% der Menschen (aka die Frauen) eigentlich nur interessiert ob der Blumentopf am Ende auf den LS passt, reduziert sich der potentielle Gewinn in dem Bereich ja schon wieder dermassen stark, das die Audessey Labs und andere mit Sicherheit nicht so viele Fortschritte machen bzw nicht so schnell.

Achja, einen ersten LS der sich selber einpegelt (nur im TT) gibt es von der Industrie schon... kaum zu glauben aber:

http://www.bang-olufsen.com/beolab5

Gerade die *lach* Naja. Gibt es eigentlich schon andere? Silbersand? B&M? Ist da nix im Gange?